Darum sollten Chefs die Weiterbildung bezahlen

Wissensmanagement

15.02.16 | Autor / Redakteur: Simone Stargardt / Florian Stocker
Simone Stargardt

Simone Stargardt ist Geschäftsführerin der privaten Weiterbildungsakademie «Carriere & More» *)

Jeder vierte Arbeitnehmer denkt über eine Kündigung nach. Obwohl die Gründe höchst unterschiedlich sind, zeigt sich beim Thema Weiterbildung: Wer in Qualifikation investiert, kann die Bindung an den Betrieb sogar fördern.

Viele Arbeitnehmer spielen mit dem Gedanken, zu kündigen. Die Auslöser dafür sind so unterschiedlich wie die Menschen: Stress durch Mobbing, Ärger mit Kunden, ein als niedrig empfundenes Einkommen, Angst vor Arbeitsplatzverlust und viele weitere.

Eine Ursache sticht jedoch heraus: Gerade die sogenannten High-Performer, die überdurchschnittlich guten Mitarbeiter – manche Personalgurus sprechen von A-Kräften – sehen keine oder zu wenig Perspektiven für den nächsten Schritt auf der Karriereleiter. Hinzu kommt, dass viele Arbeitgeber Weiterbildungen als Kosten sehen – statt als Investition in den Menschen. Ein Denkfehler.

Abbügeln kann gefährlich werden

In einer Wissensgesellschaft ist das Knowhow der Mitarbeiter das wichtigste Kapital. Wer hier spart, erlebt Fälle wie den von Tanja Schmid (Name geändert). Die 29-jährige Industriekauffrau arbeitete bei einem süddeutschen Automobilzulieferer und trat dort als Sachbearbeiterin in Bezug auf ihre Karriere auf der Stelle. Ihre Anfrage für eine nebenberufliche Qualifizierung bügelte der Chef ab. „Zu teuer – und dann sind Sie womöglich weg“, hörte Schmid von ihrem Vorgesetzten.

Vor sechs Jahren fasste die Stuttgarterin dann einen Entschluss: Sie bildet sich auf eigene Faust nebenberuflich weiter. Binnen zweieinhalb Jahren absolviert sie erst einen Lehrgang zur Industriefachwirtin und setzt im Anschluss den Betriebswirt oben drauf. Für beide IHK-Abschlüsse opfert sie in Summe 55 Sams- und Sonntage. Vier Wochen vor den Prüfungen schraubt sie ihre Arbeitszeit auf halbtags herunter – mit den entsprechenden Gehaltseinbußen. Bezahlen muss Schmid die rund 5000 Euro Lehrgangskosten und Gebühren aus eigener Tasche. Am Tag als die positiven Prüfungsergebnisse im Briefkasten liegen, schreibt sie ihre Kündigung.

Ans Unternehmen binden

Der Grund für den Geiz der Chefs hat oft mit Angst zu tun. Viele Führungskräfte befürchten, dass sich ihre besser qualifizierten Leute einen neuen Job außerhalb der Firma suchen. Diese Angst kann entkräftet werden, indem Unternehmen Weiterbildungswillige an sich binden. Eine Kostenübernahme ist hier ein gängiger Weg. Für eine zweijährige, nebenberufliche Weiterbildung gelten die zwei darauffolgenden Jahre als Bindung an die Firma als angemessen.

Wer zudem seinen Top-Leuten nach erfolgreichem Abschluss der Qualifizierung noch eine Aufstiegsmöglichkeit in Aussicht stellt, stärkt den Bindungswillen. Ganz ähnlich wie die Punkteprämie im Profifußball, kann der Chef eine erfolgsabhängige Vergütung anbieten. Dann bezahlt er die Weiterbildung rückwirkend, wenn der Angestellte seinen Kurs oder Lehrgang absolviert und die Prüfungen bestanden hat.

Freizeit gegen Kostenübernahme

Eine weitere gängige Methode: Das Modell „Freizeit gegen Übernahme von Qualifizierungskosten und –gebühren“. Dieses Vorgehen ist zusätzlich sinnvoll, da Unternehmen das Geld für eine Weiterbildung als betriebliche Ausgabe von der Steuer absetzen können. Und wie jeder Steuerberater bestätigen wird, fallen auf den Zuschuss zur Weiterbildung keine Sozialversicherungsabgaben an. Somit ist dieser günstiger als eine Gehaltserhöhung.
Bewusst sein sollte jedem Chef jedoch auch der Zeitaufwand von Weiterbildungen. Es ist daher sinnvoll, Details abzufragen: Hierzu gehört eine Summe der Wochenenden, Feierabende und Urlaubstage, die der Arbeitnehmer einzubringen plant. Auch die Erklärung wie diese Stundenmenge neben Familie, Hobby und Entspannung freigeboxt werden soll, sollte überzeugen. Zumal das Durchspielen den Mitarbeiter zwingt, sich mit den Hindernissen auseinander zu setzen. Was wiederum die Gefahr eines Abbruchs der Weiterbildung mindert. Vielleicht kommt als Fazit neben der (anteiligen) Kostenübernahme der Wunsch nach einer befristeten Arbeitszeitreduzierung heraus, um besser und schneller lernen zu können. Dem sollten Chefs entsprechen.

Imagegewinn inklusive

Wer sich dafür entscheidet, seinen Mitarbeitern eine Weiterbildung zu sponsern, bekommt einen Imagegewinn gratis dazu: Eine hohe Weiterbildungsquote innerhalb der Belegschaft trägt zur Imagepflege eines Unternehmens bei. Jeder Absolvent eines Lehrgangs fungiert als Aushängeschild der Firma. Zudem spornen erfolgreiche Vorbilder weitere Kollegen an, sich nicht im Job auszuruhen. Diese niederschwellige Botschaft wird von Beschäftigten gehört und verstanden.


* Simone Stargardt arbeitete bei Deutschlands größtem Lebensmitteldiscounter im mittleren Management, ehe sie sich mit 24 Jahren selbständig machte. Die Betriebswirtin ist Geschäftsführerin der privaten Weiterbildungsakademie carriere & more mit Sitz in Korb bei Stuttgart. Dort bereiten sich Erwachsene nebenberuflich auf IHK-Prüfungen vor.